Journalistische Verantwortungsethik und sexueller Missbrauch

Sexueller Missbrauch ist ein häufig verborgener Missstand, der gerade dann ins öffentliche Bewusstsein rücken kann, wenn Betroffene den Weg in die Medienöffentlichkeit wählen. Um zu ergründen, welche Verantwortung Journalist*innen dabei gegenüber Betroffenen tragen, untersucht diese Studie die weitg...

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Published inMedien & Kommunikationswissenschaft : M & K Vol. 68; no. 4; pp. 363 - 385
Main Authors Philip Baugut, Katharina Neumann
Format Journal Article
LanguageGerman
Published Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG 01.11.2020
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Summary:Sexueller Missbrauch ist ein häufig verborgener Missstand, der gerade dann ins öffentliche Bewusstsein rücken kann, wenn Betroffene den Weg in die Medienöffentlichkeit wählen. Um zu ergründen, welche Verantwortung Journalist*innen dabei gegenüber Betroffenen tragen, untersucht diese Studie die weitgehend unerforschten Medienwirkungen auf Betroffene, die im Zentrum von Berichterstattung standen. Vor dem theoretischen Hintergrund von Kepplingers Konzept der reziproken Effekte zeigten 18 qualitative Interviews mit Betroffenen, dass diese schweren Belastungen ausgesetzt sind, wenn Journalist*innen einer am Primat der Publikumsaufmerksamkeit orientierten Medienlogik folgen und das politische Anliegen der Betroffenen ignorieren, vor allem die strukturellen Ursachen sexuellen Missbrauchs zu thematisieren. Bestimmte als respektlos empfundene journalistische Verhaltensweisen und Berichterstattungsmuster können für Betroffene bedeutende psychische Folgen haben, auch weil sie relativ starke Medienwirkungen auf Dritte wahrnehmen. Insgesamt zeigen die Betroffenen ein differenziertes Medienbild, das von Dankbarkeit für lang ersehntes öffentliches Gehör bis hin zu „Voyeurismus“-Vorwürfen an Journalist*innen reicht.
ISSN:1615-634X
DOI:10.5771/1615-634X-2020-4-363