Ist akademisches Fachwissen hinreichend für den Erwerb eines berufsspezifischen Fachwissens im Lehramtsstudium? Eine Untersuchung der Trickle-down-Annahme

Zusammenfassung Ein wesentliches Ziel der Lehramtsausbildung an den Hochschulen ist der Erwerb von fachspezifischem professionellem Wissen. Insbesondere angehende Lehrkräfte des gymnasialen Lehramts erwerben ihr mathematisches Fachwissen oft in Fachvorlesungen, die keinen Bezug zur Schulmathematik n...

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Published inJournal für Mathematik-Didaktik (Internet) Vol. 41; no. 2; pp. 329 - 356
Main Authors Hoth, Jessica, Jeschke, Colin, Dreher, Anika, Lindmeier, Anke, Heinze, Aiso
Format Journal Article
LanguageGerman
Published Berlin/Heidelberg Springer Berlin Heidelberg 01.10.2020
Springer Nature B.V
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Summary:Zusammenfassung Ein wesentliches Ziel der Lehramtsausbildung an den Hochschulen ist der Erwerb von fachspezifischem professionellem Wissen. Insbesondere angehende Lehrkräfte des gymnasialen Lehramts erwerben ihr mathematisches Fachwissen oft in Fachvorlesungen, die keinen Bezug zur Schulmathematik nehmen. In der Regel sind dies die gleichen Fachvorlesungen wie für Mathematikstudierende ohne Lehramtsbezug. Der hohe Anteil an Fachveranstaltungen zur akademischen Mathematik im Lehramtsstudium wird durch die Annahme legitimiert, dass akademisches Fachwissen für ein vertieftes Verständnis schulmathematischer Inhalte notwendig ist. Nach der traditionellen Sichtweise ist akademisches Fachwissen diesbezüglich sogar hinreichend, d. h. mit dem akademischen Fachwissen erwerben Lehramtsstudierende gleichzeitig Wissen über Bezüge zwischen akademischem Fachwissen und ihrem schulmathematischen Wissen, sodass dafür keine weiteren Lerngelegenheiten notwendig sind (sog. Trickle-down-Annahme). Obwohl diese Annahme schon von Felix Klein hinterfragt wurde, gibt es dazu bisher kaum empirische Studien. Mittels Daten der KeiLa-Längsschnittstudie über das erste Studienjahr wurde diese Annahme für eine Stichprobe von Mathematik-Lehramtsstudierenden der Sekundarstufe von verschiedenen Hochschulen untersucht. Mittelwertvergleiche zeigen, dass die Studierenden im ersten Jahr einen substanziellen Zuwachs des akademischen Fachwissens erreichen, während sich ihr Wissen über dessen Bezüge zur Schulmathematik nicht signifikant verändert. Detailanalysen weisen darauf hin, dass der unmittelbare Effekt des akademischen Fachwissens auf die Entwicklung eines schulbezogenen Fachwissens allenfalls gering ist. Einfluss zeigen daneben weitere individuelle Faktoren wie kognitive Grundfähigkeiten und Praxiserfahrungen. Die Trickle-down-Annahme wird durch diese Ergebnisse nicht gestützt. Für die Lehramtsausbildung werden deshalb zusätzliche Lerngelegenheiten zur Verknüpfung der akademischen Mathematik mit der Schulmathematik als notwendig angesehen.
ISSN:0173-5322
1869-2699
DOI:10.1007/s13138-019-00152-0